- Nenn mich Ismael.
- -- Herman Melville, "Moby Dick"
Damals. Damals war alles irgendwie einfacher. Wenn man sich an einen Computer gesetzt hat, brauchte man erst mal ein Pseudonym. Das ist eigentlich nicht viel anderes als heute. Aber damals waren die Motive einfach die besseren. Man brauchte keinen Phantasienamen für eine E-Mail Adresse, Online-Chat oder so. Nein, man brauche ein Pseudonym um sich in den Annalen der flüchtigen digitalen Welten zu verewigen. Sei es, um zu zeigen, dass man ein Programm gecrackt hat, oder auch nur mit einem Hexeditor seinen Namen in ein bereits gecracktes Programm zu schreiben (sich also quasi mit fremden Federn zu schmücken). Natürlich aber auch um in den Highscorelisten der Spiele klar zu machen, wer hier die Leistung vollbracht hat, an denen sich die anderen zu messen haben.
Bei mir war das nicht anders. Nur die Wahl eines wirklich guten Pseudonyms ist schwer, sehr schwer. Nachdem ich so zwei oder drei relativ platte Pseudonyme durch hatte, habe ich mir mal Gedanken gemacht, was man denn so nehmen könnte. Wichtigstes Kriterium: drei Buchstaben - nicht mehr. Das ist das Minimum, dass die Spiele zum Hinterlassen seiner "Marke" vorgesehen hatten, und ich wollte ja mir für das Pseudonym noch eine Abkürzung ausdenken müssen. Es ist halt viel cooler, wenn alles mit den drei Buchstaben schon gesagt ist.
Mir fiel da der Film
Mr. Hobbs macht Ferien ein, den ich ein paar Wochen vor diesen Überlegungen mindestens schon zum dritten (aber nicht zum letzten Mal) gesehen hatte. Der Film erzählt von Mr. Hobbs, gespielt von James Stewart, der zu Beginn des Films in sein Büro kommt und seine Sekretärin zu sich bittet um ihr einen Brief an seine Frau zu diktieren, bei dem er sich über den Ärger bei seinem gerade beendeten Urlaub von der Seele zu reden will. Er wollte ruhig mit seiner Frau alleine Urlaub machen, sich mal an der See so richtig schön entspannen, aber sie lädt die gesamte Sippschaft in das Ferienhaus ein.
Seine jüngste Tochter hat gerade eine Zahnspange bekommen, was doch sehr an seinem Selbstwertgefühl nagt. Mutter, Vater beschließen zu einer lokalen Party mit Tanz zu gehen und schleppen die Tochter einfach mit, damit diese mal auf andere Gedanken kommt, und Leute in ihrem Alter kennen lernt. Leider ist das nicht ganz so einfach, da sie sich immer noch unter der Spange leidet und den Mund höchstens mal aufbekommt um etwas zu trinken. Als der Vater nun sich aufmacht, um sich Zigaretten oder etwas zu trinken zu besorgen, fällt ihm eine Gruppe Jungs auf, die sich im Kreis aufgebaut haben und über Musik diskutieren. Vater überlegt kurz und fragt in die Gruppe einfach "Joe?" Aus dem Kreis guckt eine Kopf hervor und fragt was sei. "Was hältst Du davon Dir fünf Dollar zu verdienen? Du musst dafür einfach nur ein bisschen mit dem Mädchen da hinten tanzen. Das ist alles." Er nimmt die fünf Dollar und fordert die Tochter zum Tanz auf. Eine solche Gelegenheit wollen sich die anderen natürlich nicht entgehen lassen. Es beginnt auf der Tanzfläche eine Abklatschorgie und ein Gerangel um das schüchterne Mädchen, dem soviel Aufmerksamkeit richtig gut tut. Nach einiger Zeit fragt die Tochter ihren Vater, die Mutter tanzt gerade mit einem Ortsansässigen, ob sie mit Joe und den anderen noch woanders hin kann, was er erlaubt.
Als die Mutter vom Tanzen wiederkommt, fragt sie, wo denn ihre Tochter geblieben sei. Die Antwort war kurz: "Sie ist mit Joe weg." - "Welcher Joe?" - Er erzählt kurz, dass ihm die Jungs für einen fünfer pro Nase diesen kleinen Gefallen getan haben - "Wie heißt er denn weiter?" - "Keine Ahnung." - "Und woher weißt Du eigentlich, dass er Joe heißt?" - "Da stand halt 'ne Gruppe Jungs herum, da habe ich Joe rein gerufen. Bei einer Gruppe Jungs ist eigentlich immer ein Joe dabei." Joe bringt einige Zeit später die Tochter wohlbehalten zurück, und ihr geht es richtig gut. Er besteht darauf dem Vater, der schon im Auto sitzt noch zum Abschied die Hand zugeben. Der Vater weiß nicht so recht was er davon halten soll, und gibt Joe nach einigem Zögern die Hand. Nach dem Händeschütteln hält der Vater wieder seine fünf Dollar in der Hand.
Der Film endet übrigens damit, dass die Sekretärin zu Tränen gerührt anmerkt: "Das ist der schönste Brief, den sie mir jemals diktiert haben. Was machen wir jetzt damit? Das gleiche wie mit den anderen?" - "Ja, natürlich! Vernichten Sie ihn, was meinen Sie, was los ist wenn meine Frau den jemals zu Gesicht bekommt. Für nächstes Jahr haben wir außerdem schon das gleiche Haus gebucht."
Mein "Joe" ist mittlerweile fast in Vergessenheit geraten, und wurde quasi vom Spitznamen "SvOlli" und den Initialen SOM (beim Flippern) abgelöst. Nur bei Videospielen bleibe ich merkwürdigerweise immer noch bei "Joe". Wie ich überhaupt wieder darauf gekommen bin? Ich habe die eine-Million-Punkte Marke bei
Bomb Jack geknackt und ich konnte mich eintragen.
(Anmerkung: Sämliche Dialoge sind leider nur sinngemäß wiedergegeben, da es von dem Film meines Wissens nach keine deutsche DVD gibt, immerhin ist letzten Monat die US Fassung erschienen.)
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