- The demoscene: you can't put more "sub" into "subculture", still being "culture".
- -- SvOlli
Ich habe in den letzten Wochen versucht, einigen Leuten zu erklären, was die Demoszene ist. Deshalb greife ich jetzt mal auf etwas Text zurück, den ich für ein
Buch über Retrocomputing beigesteuert habe. Hier nun der Text.
In der deutschen Wikipedia findet man bei der Suche nach
"Demo" unter anderen Bedeutungen "eine Form der digitalen Kunst, in Echtzeit auf digitaler Hardware erzeugte multimediale Präsentation, siehe Demoszene."
Treffender kann man es in einem Satz wohl nicht beschreiben, und doch greift diese Beschreibung recht kurz, weil in einem Demo im Allgemeinen immer auch eine Attitüde mitschwingt, die man mit einer gewöhnlichen multimedialen Präsentation nicht vergleichen kann. Am besten lässt sich dies aus der (Entstehungs-)Geschichte heraus klären.
Der Anfang der Demos
Vor den Demos kamen die Spiele. Der Mikroprozessor erreichte die privaten Haushalte eigentlich in drei Wellen. Zuerst als Bausatz für Hobbyelektroniker, danach in Form der ersten kommerziell erfolgreichen Spielekonsolen, wie zum Beispiel dem
Intellivision,
Vectrex,
ColecoVision und eben dem
Atari 2600 VCS, welches als erstes austauschbare Spiele hatte, also bei der die Software getrennt von der Hardware verkauft wurde. VCS steht dabei für "Video Computer System" und ist auch durchaus passend, weil es einen Prozessor aus der selben Familie verwendet, wie er in vielen später erschienenen Homecomputern zu finden ist, zum Beispiel in denen von Atari, Apple aber auch Commodore. Diese markierten dann wiederum die dritte Welle.
Commodores C= 64 gilt auch als die Wiege der Demos. Anfang der 80er war zwar das Internet noch nicht in Sicht, aber der Bedarf nach Software zum Nulltarif war auch damals schon vorhanden. Das ging meist so von statten: irgend jemand kaufte sich ein Stück Software (meistens ging es dabei um Spiele), und versuchte den Datenträger zu kopieren. Bei dem Datenträger gab es meist drei zur Auswahl: ROM Module, Kassetten und Disketten. Für die Beschreibung werde ich mich im folgenden auf die Diskette beschränken, weil sie sich nach wenigen Jahren als das am häufigsten verwendete Medium durchgesetzt hat. Um Disketten zu kopieren kamen recht bald Kopierprogramme heraus, mit denen in wenigen Minuten eine Kopie erstellt werden konnte. Dass die Spiele kopiert wurden, störte natürlich die Hersteller, und sie begannen die Spiele mit einem Kopierschutz zu versehen. Dies spornte wiederum andere Leute an, diesen Kopierschutz zu entfernen, und das Spiel so wieder kopierbar zu machen.
Wenn man dieses Katz und Maus Spiel gewonnen hatte war man natürlich stolz und wollte es die Welt auch wissen lassen, wer es denn geschafft hat, den Kopierschutz zu entfernen, also das Spiel gecrackt hat. Am Anfang ging man meist den Weg, dass man seinen Namen beziehungsweise sein Pseudonym in die Highscore-Listen eingetragen hat. Oder man "verewigte" sich in der Grafik. Eines der schönsten Beispiele dafür ist die gecrackte Version von Donkey Kong. Dort hat der Cracker den Hilferuf der zu rettenden Pauline von "HELP!" auf sein Pseudonym "1103" geändert.
Etwas später gingen die Cracker dazu über, einfach eine kleine Animation vor das eigentliche Spiel zu setzen. Wollte man jetzt das Spiel spielen, bekam man erst einmal die Information, wer denn für diese "Version" des Spiels verantwortlich war. Über die Zeit hinweg wurden die Informationen immer aufwendiger in Szene gesetzt. Schließlich wollte man nicht nur zeigen, dass man nicht nur cracken, sondern auch gut coden – also programmieren – kann. Irgendwann war der Zeitpunkt erreicht, dass ein solcher "Vorspann" (auch Cracktro genannt) den Spielen in dem, was aus der Maschine herausgeholt wurde, in nichts nachstanden. Jetzt kamen die Demos vor den Spielen.
Irgendwann war der Zeitpunkt erreicht, dass man ein gecracktes schlechtes Spiel nur wegen des tollen Cracktros aufgehoben hatte. Der letzte Schritt der vollständigen Emanzipation vom Cracken war dann schon fast obligatorisch. Man hat einfach das gecrackte Spiel weggelassen, um sich auf die Programmierung von immer besseren Effekten zu konzentrieren. Der Sprung in der Entwicklung der Homecomputer von 8-Bit auf 16-Bit Systeme, wie zum Beispiel dem Commodore Amiga, und die Migration der (Demo-)Programmierer auf solche Systeme, sorgte dafür, dass für diese Systeme Demos entstanden.
Die Demoszene heute
Die Demoszene ist heute sowohl recht zersplittert, als auch sehr vereint. Zersplittert in der Hinsicht, dass nahezu alles von den Leuten verwendet wird, um Demos zu programmieren. Das geht vom aktuellen Highend-PC bis zum 8-beinigen Mikrocontroller. (Letzteres hat lft mit dem Demo
"Bit Banger" eindrucksvoll unter Beweis gestellt.) Aber auch in der Historie der Computer und Spielekonsolen wurde eigentlich nichts ausgelassen. Daumenregel: bekommt man aus einer Plattform bewegte Bilder und Töne heraus, findet sich bestimmt auch bald jemand, der dafür ein Demo programmiert. (Töne sind nicht zwingend notwendig, es gibt auch Demos ohne.) Vereint wird die Demoszene durch die stattfindenden Partys, die auch gleichzeitig Austragungsorte der Wettbewerbe im Demoprogrammieren sind. Die Regeln unterscheiden sich allerdings von anderen Wettbewerben, zum Beispiel Filmfesten: ein programmiertes Demo muss neu sein, darf also vorher nicht veröffentlicht worden sein. Oder im Umkehrschluss: nachdem man sein Demo einmal gezeigt hat, ist es verbrannt. Die Wertung wird bis auf Sonderpreise auch nicht von einer Jury gefällt, sondern basisdemokratisch von den Besuchern der Party. Bewertet wird dabei in verschiedenen Kategorien, unter denen auch welche für Bilder und GEMA-freie Musik sind.
In der Kategorie "Demos" wird dabei meistens nach Art der Plattform und der Größe des Demos unterschieden. "Magische" Grenzen sind dabei meisten 64k Byte oder auch 4k Byte, sowohl für Windows als auch für Retro-Systeme. Was sich gar nicht einordnen lässt (zum Beispiel Demos auf selbst gebauter Hardware) wird in aller Regel in einer Kategorie abgelegt, die meistens "Wild" betitelt wird. Interessanter Fakt am Rande: der C= 64 ist immer noch die bisher am häufigsten "bespielte" Plattform für Demos, wird aber langsam von Windows eingeholt.
Das war jetzt nur ein grober Überblick über das, was die Demoszene ausmacht. Einen tieferen Einblick gibt die 90-minütige Dokumentation
"Moleman 2".
Ist das Kunst?
Noch einmal kurz zurück auf eine Formulierung des Satzes aus der Wikipedia: "eine Form der digitalen Kunst [...]" Ist das wirklich Kunst? Interessanterweise ist diese Frage mir erst durch den Kopf gegangen, als ich mich schon eine ganze Weile mit der Programmierung von Demos auf dem Atari 2600 VCS auseinander gesetzt habe. Wenn ich in einem Gespräch erkläre, was ich mache, verwende ich meist die Formulierung "digitales Graffiti", was auch als Kunst verstanden werden kann. So kam ich also zu einem schnellen und klaren "ja". Der wichtigste Unterschied zum allgemeinen Begriff von Kunst ist aber: man kann es nicht verkaufen. Weil die Werke frei kopierbar sind und es auch immer schon waren, gibt es wirklich nur die Möglichkeit, sie zu verschenken. Auf Partys lassen sich eventuell Sach- und Geldpreise gewinnen. Diese stehen aber in keinem Verhältnis zum Aufwand der getrieben wird: teilweise stecken mehrere Jahre Arbeit in einem Demo.
Als ich mich im Rahmen dieser Zeilen noch mal etwas ausgiebiger mit dieser Frage beschäftigt habe, kam ich für mich zu dem Schluss, dass gerade wegen dieser "Kostenlosmentalität" der Ware "Demos" es vielleicht die reinste Form von Kunst ist, die möglich ist. Ein Demo dient wirklich nur zwei Zwecken: der Unterhaltung des Betrachters und dem Spaß der Beteiligten an der Sache. Die Attitüde "ich kann das hier besser als Du", die in vielen Demos mal mehr und mal weniger unterschwellig mitschwingt, ist da quasi die Kombination beider Zwecke. Andererseits sollte man sich auch mal auf die Aussagen anderer verlassen, wie zum Beispiel den "Kollegen", den ich mal darauf hinwies, dass sein C= 64 Font zwar recht interessant aussieht, aber schlecht zu lesen ist: "Halt die Fresse, das ist Kunst!", sagte er trocken und zwei Sekunden später verzog sich sein Gesicht zu einem breiten Grinsen.
Hier endet meine Erklärung, was Demos sind. Im Buch geht es noch weiter, und ich erkläre warum ich gerade Retrohardware vorziehe. Außerdem gibt es noch die Entstehungsgeschichte und die Erklärung eines kompletten Demo-Teils, der Adaption den springenden Amiga-Balls aus meinem Demo
"Bang!". Das Buch kann man zum Beispiel über
Amazon beziehen. Außerdem gibt es noch eine
Webseite zu der Vortragsreihe, aus der dieses Buch hervorgegangen ist.
Und das Video zu meiner LED Bastelei findet sich auf
YouTube.
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