- Wenn BWLer tanzen, wie soll man das nennen?
Man muss nicht nur feiern wollen, man muss es auch können! - -- Rainald Grebe, "Die Fete"
28. Juni 2014. Rainald Grebe feiert mit seinem Theaterstück "Das Anadigiding - Teil I" Premiere, der große Abschlussapplaus findet statt, mal um mal gehen die Schauspieler auf die Bühne. Ich applaudiere nicht und denk nur "Scheiße! Ich..." ...sollte vielleicht nicht mit dem Ende anfangen. Los geht die Geschichte ungefähr ein dreiviertel Jahr früher, genau genommen im Herbst 2013. Auf dem
Hackover, dem kleinen, aber feinen Geekend der
Leitstelle 511, der lokalen "Niederlassung" des Chaos Computer Clubs, habe ich einen Workshop veranstaltet, bei dem man lernen konnte ein kleines Demo für das Atari 2600 VCS zu programmieren.
Zum Kennenlernen habe ich das
Open Chaos besucht, ein Treffen, welches zweimal im Monat stattfindet, bei dem explizit auch nicht-Clubmitglieder erwünscht sind. Das Open Chaos hat mir großen Spaß gemacht, so dass ich da dann häufiger war, wenn es mein Terminkalender zugelassen hat. Manchmal gab es dann auch einen Kompromiss: erst mal zum Open Chaos, danach ins Kabarett (meistens im
TAK), und dann wieder zurück zum Open Chaos. Gelegentlich hatte ich auch dann jemanden von da mit geschliffen, wenn ich eine Karte "über" hatte. Beim
30c3 saß ich dann bei ihnen im Assembly "Außenstelle 511". Im Januar wurde mir dann angeboten, dass ich auch zu den geschlossenen Veranstaltungen kommen dürfte, und dann auch Mitglied werden könnte. Das Angebot habe ich gerne angenommen. Dazu gehörte dann auch, dass ich mit in den Verteiler für Kontaktaufnahme und allgemeine Anfragen aufgenommen wurde. Soweit die Vorgeschichte.
Dort ging dann ungefähr anderthalb Wochen nach meinem Beitritt eine Mail von einem gewissen Johannes Kirsten durch, Dramaturg am Staatstheater Hannover. Rainald Grebe plane ein Theaterstück in Hannover namens Anadigiding, in dem es um den Übergang vom analogen zum digitalen Leben gehen soll. Und die beiden sind gerade dabei die Möglichkeiten auszuloten und Inspirationen zu sammeln. "Ja klar", ging es mir durch den Kopf, "ich weiß, was ein Initiierungsritus ist. Genau in dem Moment, in dem der einzige Kleinkunstinteressierte dem Club beigetreten ist, kommt einer der bekanntesten Klavierkabarettisten nach Hannover, um ein Theaterstück zu machen. Sicher." Aber ich war dann doch gespannt, wie viel Mühe sie sich dabei gegeben hatte, und deshalb habe ich einfach mal mitgespielt.
Es ging dann ein bisschen Terminfindung hin und her, und weitere anderthalb bis zweieinhalb Wochen später saß ich zusammen mit circa einem halben Dutzend andere Clubmitglieder, Johannes Kirsten und Rainald Grebe(!) an einem Tisch, und wir haben diskutiert, was man denn so in einem Theaterstück machen könnte und was nicht. Was technisch geht, und wovon man aus moralischen Gründen die Finger lassen sollte. Von wegen "Initiierungsritus"! Es war also alles echt, wie cool ist das denn? Interessanterweise war ich der einzige aus dem Club, der zum Zeitpunkt der ersten Mail von Johannes den Namen "Rainald Grebe" auch ohne die Zuhilfenahme einer Suchmaschine einordnen konnte.
Eine Sache, die bei den beiden reges Interesse hervorgerufen hat, waren unsere
Flipdots, die wir kurz danach auch für ein
Demo genommen haben. Außerdem wurde recht schnell klar, dass Rainald etwas vorschwebt, womit man als Zuschauer nicht so rechnet. Verschiedene Szenarien wurden durchgespielt und wieder verworfen, zum Beispiel das Aufbauen einer eigenen Mobilfunkzelle. Wer wissen will, welche "Überraschung" es in die Vorstellung geschafft hat, der sollte in die Vorstellung gehen.
Andere Ideen, wie zum Beispiel einen Nadeldrucker mit Endlospapier etwas von der Decke runter drucken zu lassen, wurden von der Realität kassiert - im erwähnten Beispiel hatte die Realität die Form der Feuerwehr. Übrig geblieben sind unter anderem die Flipdots, deren Bedienung meine Aufgabe ist. Weitere Gespräche folgten. Im Laufe der Vorbereitungen kam das Angebot, dass diejenigen von uns, die unsere Technik bedienen, auch mit in das Theaterstück eingebunden werden sollten. Oder wie ich die "Toten Hosen" so gerne zitiere: "Wir stolpern da gelegentlich über die Bühne". Vier von uns sagten zu, und ich war dabei, selbstverständlich.
Im Laufe der Zeit habe ich einen schönen Einblick hinter die Kulissen des Theaters bekommen, und viel Parallelen zur Softwareentwicklung finden können. So kommen zum Beispiel "Abgabetermine", egal wie lange sie schon im Kalender stehen, viel zu kurzfristig. Blinder Aktionismus findet sich auch immer mal, genauso wie das Hin- und Herschieben von Aufgaben und Zuständigkeiten. Das schönste Beispiel von Seiten der Schauspieler war eine Szene in der Wiederaufnahmeprobe, bei der einer der Schauspieler einen Hänger hatte, es von der Körpersprache aber so aussehen ließ, als hätte er seinen Teil fertig, und seine Partnerin das Problem, die ihm das auch sofort "glaubte", und fieberhaft überlegte, was den nun ihr Text war.
Das Stück hat für mich viele Highlights, zum Beispiel wie über verschiedene Facebook-Typen referiert wird "im normalen Leben sind das alles nette, umgängliche Menschen, aber auf Facebook habe ich das Gefühl man hat ihnen das Hirn raus geblasen". Und ab und zu bin ich auch mal auf der Bühne zu sehen, und die wenigen Minuten genieße ich jedes mal. Das Stück an sich hat durchaus gute Kritiken bekommen, zum Beispiel bei
heise online oder der
Kreiszeitung. Auch die Rückmeldungen, die ich aus meinem Bekannten- und Freundeskreis bekommen habe, waren durch die Bank weg positiv. Also kann ich das Stück durchaus empfehlen, und dies obwohl ich darin auftrete.
Hier noch ein Tipp für jemanden, der wie ich als "Quereinsteiger" mal in ein Theaterstück kommen sollte: spätestens bei der Generalprobe schon mal erklären lassen, was es alles für Riten bei einer Premiere gibt. Und, eventuell mal drüber nachdenken, ob man ein kleines Geschenk als Glücksbringer für die Teilnehmer mitbringen möchte. Wir vom CCC haben dies zu spät erfahren und standen dann mit leeren Händen da. Das wollten wir so nicht stehen lassen, und haben für die letzte Vorstellung vor der Sommerpause dann als "Ausgleich"
Throwies zum Selberbasteln mit einer kurzen Anleitung verteilt, was das wird, warum, und warum wir das machen. Sie sind gut angekommen.
Ein Moment wird mir auch immer in besonderer Erinnerung bleiben. Es gibt gegen Ende das "Nerdgespräch", wo Rainald sich zu uns an den Tisch setzt, und uns ein paar Sachen fragt. Einige sind abgesprochen, andere improvisiert. Coco hat eigentlich immer etwas Süßes dabei - Nervennahrung - welche dann auch auf unserem Tisch liegt. Obu und ich haben versucht da mal mitzuziehen, aber irgendwann aufgegeben. Rainald, die Schauspieler und einige andere kommen da auch gerne mal vorbei um da etwas wegzunaschen. Als es im Sommer so heiß war, hatte Coco auch etwas Gesundes mitgebracht, unter anderem Rettich. Den hat sie dann auch nach meinem dringenden Anraten in dieser Szene Rainald angeboten, und ich konnte sehen, wie für den Bruchteil einer Sekunde seine Miene entgleist ist, gefolgt von einem gehüsteltem Lachen mehrerer Leute aus dem Saal. Coco habe ich dann später am Abend noch das YouTube-Video zu
30jährige Pärchen gezeigt, damit sie auch versteht, warum ich so darauf bestanden habe, dass sie ihm den Rettich anbietet.
Aber der Moment, den ich am meisten genieße, ist der Schlussapplaus. Dort nehme ich mir immer ein paar Sekunden, um die Reihe entlang zu gucken, in der Hoffnung, die Wertschätzung für diese Momente nie zu verlieren und sie als selbstverständlich hinzunehmen. Und um jetzt den Satz vom Anfang zu vervollständigen, bei der Premiere ging mir durch den Kopf: "Scheiße! Ich... stehe auf einer Bühne mit Rainald Grebe." Wenn mir 2013 jemand erzählt hätte, dass dies passieren würde, ich hätte es nie geglaubt.
Rainald, Stolle, Klaus-Dieter,
Sarah,
Hagen,
Henning,
Coco, Kiki, Obu,
Ninia, und allen hinter der Bühne, ich danke Euch für diese unvergesslichen Momente.
Kommentare
ich habe über eine Freundin von dem "Anadigiding" gehört. Es klang sehr sehr spannend, gerade weil ich auch an einem ähnlichen Projekt arbeite. Ich bin in einem freien berliner Theaterprojekt involviert. Das grobe Thema lässt sich umschreiben mit: digitale Kommunikation in extremistischen Vereinigungen. Die Expertise bezüglich Internetfragen fällt noch.....
Kennst du jemanden (vielleicht sogar du selbst) mit dem man sich Zwecks Recherche und technische Fragen austauschen könnte?
Soweit.
Herzlich,
C
I am a EEE PC owner...I currently have a EEE PC 701SD, and I just bought a 900.
I wanted to thank you for the EEE PC tools that you wrote...especially for hacking flashplayer.
I know it is severely outdated...but I love Xandros Linux.
I do my bit to keep my Xandros 4.5 OCE distro alive...with many of your efforts.
I was able to upgrade GTK to 2.10 from Debian Lenny sources...and I installed Firefox 17.0 into Xandros both in the EEE PC, and Xandros 4.5 OCE.
I know you've moved on from that platform...but I wanted to say thank you for the work that you did.
I enjoy keeping old distros alive. I also play around a bit with the old gOS 3.1 distro.