- Ideal im TV lassen mich völlig kalt,
und die ganze Szene hängt mir aus'm Hals.
Da bleib ich kühl - kein Gefühl. - -- Ideal, "Blaue Augen"
- Was ist ein Punk? -
Spießer mit Irokesenschnitt! - -- relativ junges Sprichwort
Ich selbst verkehre gerne mit Leuten und auf
Veranstaltungen, die der so genannten "Schwarzen Szene" zugerechnet werden. Viele der Leute, die ich dort treffe, sehen mich als dazugehörig an; ich selbst sehe mich immer mehr als (hoffentlich gern gesehenen) Gast. Das letzte Mal, als ich mich selbst wirklich als einer Szene zugehörig sah, war Mitte bis Ende der 80er, und die Szene war die der
C=64 User. Seit dem habe ich schon genug Probleme mich selbst ohne ein Umfeld zu definieren, zu vielfältig und unterschiedlich sind meine Interessen. Der Grund weshalb ich mich gerne in dieser Szene aufhalte ist recht einfach. Zum Einen ist die Kleidung interessanter und die Musik tut deutlich weniger weh als der ganze Chartsdreck; es gibt sogar so manches, was mir so gut gefällt, dass ich mir die CDs kaufe. Kaufen, nicht Downloaden! Zum Anderen ist dort der Prozentsatz der Idioten spürbar geringer als in anderen Umfeldern. Mir ist dort z.B. noch keiner Untergekommen, der mit Papas Geld angeben musste. Grundsätzlich kann man sagen, wenn man die Leute freundlich und mit Respekt behandelt bekommt man das auch fast immer zurück. In der
Baggy oder im Fun (noch vor der
Funpark-Zeit) ist mir das nicht passiert, und da bin ich äußerlich wie alle anderen rumgelaufen. Das wirklich interessante dabei ist, das "solche Leute" wie die
Schwarzen gerne blind ausgegrenzt werden, sie selbst aber
wesentlich weniger dazu neigen andere von vorne herein auszugrenzen, was ihnen in meinen Augen auf dem Weg zum "besseren Menschen" einen gewissen Vorsprung verschafft.
Auf der
letzten Veranstaltung, auf der ich war, kam ein flüchtiger Bekannter mit mir ins Gespräch, und meinte bei mir seinen aktuellen Frust ablassen zu können. Es lief gerade ein Stück von Prodigy, "
Breathe" wenn ich mich recht entsinne. Das Stück ist nicht gerade als "typisch" für die Veranstaltung anzusehen, aber es ist halt treibende, elektronische Musik und die Leute tanzten dazu und hatten Spaß.
- Aus dieser Situation entstand (ungefähr) der folgender Dialog:
- ER: Ist das nicht schlimm?
- ICH: Was denn?
- ER: Der Typ spielt Pro-di-gy. (Er verzieht dabei das Gesicht, als hätte er auf ein Senfkorn gebissen.)
- ICH: Wieso auch nicht? Ist doch ein gutes Stück.
- ER: Aber was soll das? Das passt doch gar nicht hier rein.
- ICH: Warum nicht? Den Leuten gefällt es augenscheinlich, sonst würden sie ja nicht tanzen.
- ER: Wenn so etwas hier gespielt wird, dann brauchen wir doch die ganze schwarze Szene nicht.
- ICH: Stimmt eigentlich, dann brauchen wir sie wirklich nicht.
- Er schüttelt mit dem Kopf dreht sich um und geht wieder.
- Ich lächele und lehne mich wieder an den Pfeiler neben dem ich stand.
Es tut mir ja fast ein bisschen Leid tun, dass ich so an seinem Weltbild gewackelt habe. Aber eines von den Dingen, die ich an diesen Leuten doch so mag ist, dass sie deutlich toleranter sind, als man es ihnen vom Aussehen her zutrauen würde. Und dann kommt so ein Schmalspurschubladendenker daher und disqualifiziert sich selbst. Leider wird er von alleine nie hinter den eigentlichen Sinn meiner Aussage kommen: dass diese Szene nicht gebraucht wird, wenn sie sich - in diesem Fall in Punkto ausgrenzen - wie alle anderen Szenen verhält. Grenze ich ihn jetzt aus, weil ich es ihm nicht erklären will?
P.S.: Meinen C=64 habe ich immer noch, jawoll! Nur zu der eingeschrumpften, aber immer noch existenten C=64 Szene gehöre ich dann wohl doch nicht mehr. :)
Kommentare
Allerdings sind mir solche Szenen mit Uniformzwang in Kleidung, Musik oder was auch immer von je her sehr suspekt. Ich kann mich noch erinnern, als mich eine Freundin mitte der 80er in einen schwarzen Laden gezerrt hat. Ich hatte fuerchterlich Muffe, da ich ja ein weisses Hemd und Turnschuhe an hatte und alle in Pechschwarz herumliefen. Doch es hat keinen laenger als einen Blick lang interessiert. So lange ich mich angemessen benommen habe waren meine Klamotten voellig egal. Und damit war mein erster direkter Kontakt mit den Fraggles (wie sie damals noch genannt wurden) eigentlich sehr angenehm.
Ich fasse zusammen, was darf ich denn alles nicht:
o Windows benutzen - ich bin doch 1337
o Farbige Kleidung tragen - ich bin doch Gruftie
o Oomph! hoeren - die waren doch in den Charts *baeh*
o Alte Mercedesse moegen - ich bin doch Mantafahrer
o Heterosexuell sein - ich bin doch furry
o Gemuese essen - ich bin doch Fleischfresser
o Fussball uninteressant finden - ich bin doch ein Mann
o ...
Oh mann, wie kann man sich selber nur so einschraenken? Erlaubt ist, was Spass macht und keinen Anderen einschraenkt. Und wenn mir danach ist, dann schmeisse ich auch mal *Fettes* *Brot* in den Player, ich kann nicht immer nur *Cure* hoeren. Und wem das nicht passt, der ist mit seinem Problem leider alleine...