Willkommen am Stammtisch! Mal wieder ein Beitrag zu meinem Lieblingsthema Politik und Gesellschaft in Deutschland. In letzter Zeit wird immer lauter darueber nachgedacht das Autobahnnetz zu privatisieren oder auf gut Deutsch, zu verkaufen. Davon verspricht sich die Regierung eine Entlastung des Haushaltes sowie Kapital, welches in die leeren Kassen gespuelt wird. Diese beiden Punkte lassen sich nicht widerlegen. Der Kaufpreis geht direkt in die Kassen und der Posten Instandhaltung des Fernstrassennetzes verschwindet von der Ausgabenseite. Allerdings bin ich mir nicht sicher ob die weitergehenden Posten in die Betrachtung mit eingezogen wurden. Jetzt koennen wir natuerlich ueber die sprichwoertliche Liebe des Deutschen zu seinem Auto und insbesondere den Autobahnen(!) anfuehren, doch das lenkt vom Thema ab.
Eine Privatisierung der Fernstrassen haette zur Folge, dass deren Benutzung Kostenpflichtig wird. Das benoetigt keine Diskussion, denn irgendwie muss sich der Betrieb ja rentieren. Das Modell klappt wohl auch in anderen Laendern also warum nicht bei uns? Wahrscheinlich, weil unsere Autobahnen keine ausschliesslichen Fernstrassen sind. Es gibt diverse Teilstuecke, die gebaut wurden um den Verkehrsfluss zu kanalisieren und aus den Ortschaften fern zu halten. Dieses Modell wird damit ad absurdum gefuehrt, da eine Kostenpflichtige Umgehungsautobahn fuer den normalen Pendler uninteressant wird.
Als naechsten Punkt moechte ich die finanzielle Mehrbelastung anbringen. Niemand kann mir erzaehlen, dass es nach dem Verkauf der Autobahnen zu steuerlichen Entlastungen kommen wird. Waere dem tatsaechlich so, wuerde die Regierung ja das oben angemerkte Sparpotential gar nicht voll ausschoepfen. Jetzt schlaegt die grosse Stunde der Oeffentlichen Verkehrsmittel! Das waer doch mal was. Busse und Bahnen sind in der Stadt wirklich ein benutzbares Konzept. Doch auf dem platten Land kann man das Ganze vergessen. Ich wuerde liebend gerne das Auto stehen lassen und mit Bus und Bahn zur Arbeit fahren, doch wenn das statt maximal 45Minuten ploetzlich mindestens anderthalb Stunden dauert und der Bus nur im Stundentakt faehrt, ist das Indiskutabel. Unsere Kunden kuemmern sich naemlich einen Dreck um meinen Busfahrplan! Wer jetzt meint, dass das Angebot der Nachfrage folgen wird, hat die Wirtschaft nicht kapiert. Unsere Verkehrsbetriebe haben alle Asse in der Hand. Es faehrt keiner Bus und Bahn? Tja, dann muessen wir wegen mangelnder Rentabilitaet das Angebot verkleinern und die Preise 'anpassen'. Alle wollen Bus und Bahn fahren? Super, ein Zeichen, dass wir alles richtig machen und fuer solche Qualitaet ist der Kunde sicher gerne bereit auch etwas mehr zu bezahlen, Mobilitaet ist schliesslich Buergerpflicht und wird auch von der Wirtschaft gefordert. Damit muss Mobilitaet hoheitlich gewaehrleistet sein.
Und mit dieser Anstrengung ist der Bogen zum Titel geschlagen: Welche hoheitlichen Aufgaben nimmt der Staat noch wahr? Mal sehen, was mir da ohne Anspruch auf Vollstaendigkeit so einfaellt:
Aussen-/Innenpolitik | Ist durch Lobbyismus de Fakto privatisiert |
Innere Sicherheit | Es gibt noch die Polizei aber private Wachdienste (Schwarze Scheriffs) sind gross im Kommen |
Aeussere Sicherheit | Die Bundeswehr. Nicht zu viel mehr als zum Brunnenbohren zu gebrauchen, ist aber auch nicht schade drum, vielleicht sollen deshalb bald G3s auf Buerger zielen... |
Verkehr | Siehe oben |
Trinkwasserversorgung | Ist meines Wissens in Berlin schon teilprivatisiert |
Energieversorgung | Vollprivatisiert |
Kommunikation | Kennt noch Jemand die Bundespost? |
Insbesondere bei den letzten drei Punkten haben wir hervorragende Beispiele dafuer, was Privatisierung fuer Folgen hat. Auf der einen Seite gibt es einen Preiskampf (siehe Stromversorgung), auf der anderen Seite einen Investitionsstopp (siehe Stromversorgung in Osnabrueck). Deshalb halte ich Privatisierung nicht fuer die Loesung sondern fuer ein Problem. Und um auf den Deutschen und sein Auto zurueckzukommen habe ich die Hoffnung, dass ich bald nicht mehr alleine da stehe.
Uebrigens, staatliche Unternehmen bedeuten nicht automatisch Kommunismus! Fuer mich bedeuten sie neben Filz und Korruption auch eine gewisse Sicherheit. So dass zum Beispiel der erste Schnee nicht gleichzeitig Stromausfall bedeutet!
Und nun die Preisfragen: Wie weit wurde die Steuerbelastung reduziert, nachdem Energieversorgung und Kommunikation privatisiert wurden? Warum ist unser Staat so teuer? Was bezahlen wir, und was bekommen wir dafuer? Warum bezahlen wir immer mehr und bekommen immer weniger?
Kommentare
Aber was könnte man noch verbessern? - Man braucht die Bundeswehr - egal, wofür, und wenn es für den Kampf gegen Terrorismus ist - die werden immer gut bezahlt. Ok, man muß Abstriche machen und auch mal im Ausland den Kopf hinhalten, aber dafür dient man ja schließlich mit Stolz dem Vaterland!
Den Hartz-4-Empfängern kann man nicht viel mehr streichen; wer soll denn sonst den ganzen Tabak und Alkohol kaufen, deren Steuern den Staatsdienern die Luxuskarossen sichern!
Eine Brigitte-Diät hat noch niemandem geschadet - auch nicht den Gehältern der Politiker! Hier sehe ich echtes Sparpotenzial!
Aber im echten Leben wird halt einfach mal bei der Polizei gespart. Die kommen ohne Bundeswehr eh nicht gegen Terroristen an, und für das Knöllchen schreiben brauchen sie ja kein Weihnachts-, Urlaubsgeld und keine steuerbegünstigten Schichtzuschläge. Selbst versichern können sie sich auch und die Gehälter brauchen dafür ja wohl nicht angepasst zu werden! Wen wundert's, wenn bald der Korruption Tür und Tor offen stehen und sich die Ordnungshüter ein Beispiel an den "Großen" aus der Politik nehmen und selbst zusehen, wie sie zu mehr Geld kommen! Ich schätze, Hartz-4 wird da in nicht allzu ferner Zukunft 'ne echte Alternative sein, wenn es in "Du-bist-Deutschland" so weitergeht!
Guten Tach auch.