Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich bei und mit meinen Eltern frueher gerne ein ausgemachtes Kapitalistenspiel gespielt habe. Das sogenannte 'Boersenspiel'. Das Prinzip war recht einfach, auf dem Spielfeld gab es vier Firmen bei denen der aktuelle Aktienkurs mit einer Figur dargestellt wurde. Die startete bei 100 und dann ging es in Zehnerschritten runter bis auf 10 und rauf bis 250. Desweiteren gab es Spielkarten, mit denen man die Kurse beeinflussen konnte, zum Beispiel ein Wert +30 alle anderen -10 oder Verdoppelungs und Halbierungskarten. Pro Runde konnte man Aktien an- und verkaufen und musste eine Karte spielen. Die Reihenfolge war egal, nur konnte man nicht vor und nach der Karte handeln. Stieg eine Aktie hoeher als 250, wurde der Ueberschuss als Dividende ausgezahlt, fiel sie auf 10 war man schon gestraft genug. Am Ende wurden Bargeld und Aktien zum aktuellen Wert gezaehlt und wer am meisten Geld angesammelt hat, hatte gewonnen.
Warum dieser Ausflug in die Vergangenheit? Nun zum Einen ist das ein Spiel, dass ich tatsaechlich gerne mal wieder spielen wuerde und zum Anderen weil ich festgestellt habe, dass die Boerse seit Ihrem Bestehen doch ziemlich pervertiert wurde. Meines Wissens nach war der Grundgedanke, dass man zur Finanzierung von Investitionen Betriebsanteile gegen Geld an Finanziers verliehen hat. Hat die Investition gefruchtet, wurde das Unternehmen groesser und die Anteile haben sich dem Gesamtbetriebswert angepasst. Ging es einem Unternehmen gut, waren die Aktienpreise hoch, ging es dem Unternehmen schlecht, waren auch die Anteile weniger wert.
Warum nun eine Boerse, wenn man das doch auch mit einer KG machen kann? Ganz einfach, ueber die Boerse erreicht man mehr Interessenten und die Beteiligung geht nach festen Regeln. Klar das ist alles stark vereinfacht, trifft aber den Kern der Sache. Doch wie sieht es Heute aus? Genau anders herum. Der Aktienkurs ist nicht mehr Indikator fuer den Betriebswert sondern bestimmt ebendiesen. Oder um es mit der Heisenbergschen Unschaerferelation zu sagen: Die Beobachtung verfaelscht das Ergebnis. (So viel Halbwissen in einem Absatz, wow!)
Der Blick des Unternehmers hat sich vom Betrieb und dem Produkt ab- und dem Aktienkurs zugewandt. Und um den Aktienwert immer hoeher zu treiben, reicht es nicht einfach gute Arbeit zu leisten. Es muss immer weiter gespart, rationalisiert und Firmenpolitik gemacht werden, das Produkt bleibt auf der Strecke.
Und damit sind wir wieder beim Boersenspiel. Auch da war das Produkt der Firmen voellig egal. Man hat gewonnen, wenn man die Kurse am besten manipuliert hat. Ich glaube dieses Spiel war in gewissen Kreisen sehr beliebt.
Kommentare
Ansonsten gibt's noch die US-Klassiker "Pit" und "Gavitt's Stock Exchange". Da geht's mehr darum, mit anderen Spielern Aktienkarten zu tauschen, um schließlich das Monopol für eine der Wartenarten in der Hand zu halten. Weniger kapitalistisch ist das natürlich nicht. :-P
Jim Van Verth hat in seinem Podcast "The Vintage Gamer" über "Pit" und "Gavitt's Stock Exchange" berichtet: http://essentialmath.com/vintagegamer/?p=14