- Was bedeutet schon Geld? Ein Mensch ist erfolgreich, wenn er zwischen Aufstehen und Schlafengehen das tut, was ihm gefällt.
- -- Bob Dylan
Wieder einmal wohnte ich einem Ausstand von Ex-Kollegen bei. Das ist der häufigste Grund, dass ich "meine alte Firma" besuche. Aber irgendwie sollte ich das Ganze besser anders anfangen. Also noch mal von vorne:
Bei meiner
letzten Arbeitsstelle hatte ich echt Glück. Das Aufgabengebiet passte recht gut zu dem, was ich konnte. Viel besser passte aber das Arbeitsumfeld - sprich meine Kollegen - zu mir. Damals waren wir so circa 35 Leute, also deutlich weniger als die 80 bei meinem Weggang. Besonders Glück hatte ich mit meinem Chef: die Chemie stimmte einfach.
Der Umstand, dass wir uns gegenüber saßen, verstärkte dies nur. Aufgrund seiner Position war er auch recht viel unterwegs. Als sein Gegenüber wurde ich auch ein bisschen so etwas wie ein "Anrufbeantworter" für die Kollegen. Denn die meisten Fragen, die mir in meiner Anfangszeit dort gestellt wurden drehten sich nicht um mich oder mein Aufgabengebiet, sondern um ihn: "Wo ist Ralph? Wann ist er wieder da?" Ich lernte schnell, auf diese Fragen vorbereitet zu sein, indem ich ihm dieselben Fragen stellte. Die ersten Male guckte er mich noch fragend an, worauf ich ihm dann erklärt habe, dass ich an jeden Tag, an dem er nicht da ist, genau diese Fragen mehrfach beantworten muss. Später bekam ich die Antworten schon ohne zu fragen...
Zurückblickend muss ich sagen, dass diese zwei Jahre als die glücklichsten bezeichne, die ich in meiner bisherigen Berufslaufbahn erlebt habe. Nicht vom Fachlichen her, da fühle ich mich bei meinem jetzigen Job noch besser aufgehoben, aber vom Menschlichen her. Auch mit meinen Kollegen, mit denen ich mich heute rumplage, stimmt im Großen und Ganzen die Chemie, und meinen (Sitz-)Platz in der Firma möchte ich mit keinem anderen dort tauschen. Aber damals war das doch irgendwie etwas anderes: es war der erste Job nach dem Studium und der zweite Vollzeitjob überhaupt; neben dem Studium hatte ich aber schon einiges an Erfahrung in diversen Teilzeitjobs sammeln können. So konnte ich recht gut abschätzen, was ich kann, und was nicht. Es gab mir für den eigentlichen Einstieg in mein Berufsleben ein gewisses Selbstvertrauen.
Und der Einstieg hätte besser nicht sein können. Ich hatte so viel Spaß, dass mir erst viel später aufgefallen ist, dass die meisten Projekte, an denen ich gearbeitet hatte von den Kunden abgekündigt wurden. Glücklicherweise nicht aus Gründen, die ich zu verantworten hatte.
Genau genommen hat er auch einen Anteil an meinem Weggang dort. Als Ende letzten Jahres die Schließung des Standortes und die Verlagerung auf andere Standorte bekannt wurde, kam ein ehemaliger von uns Kollege zu ihm, mit dem ich auch in meiner Anfangszeit dort zusammengearbeitet hatte. Sie würden gerade jemanden suchen, und er hatte eine Liste mit den Anforderungen, die es zu erfüllen galt dabei. Ob es in der Firma einen oder mehrere geben würde, die darauf passen würden. Seine Antwort war, dass es genau einen gäbe, der Anforderungen wie Erfahrung in der Programmierung von Qt und der Administration von Linux-Systemen erfüllen würde. Etwas später stand er zu einem "unverbindlichen Gespräch" in meinem Büro. Und genau da bin ich jetzt gelandet. Die anderen sind auch noch an Ort und Stelle, ein Großteil des Standortes wurde mit der Mannschaft zusammen verkauft, nur um sie die Leute im Nachhinein wieder zu mieten. Im Rahmen dieses Verkaufes hat er sich entschlossen, die Firma zu verlassen.
Gestern war er einer von drei Alteingesessenen, die zusammen ihren Ausstand dort gegeben haben, und ich hatte die Gelegenheit mich für die Zeit bedanken können. Daraufhin wiederholte er etwas, was ich völlig vergessen hatte: "damals habe ich keinen Kollegen bekommen, sondern einen kleinen Bruder." Stimmt, jetzt wo er das sagt, dämmert es mir so langsam wieder, das hatte er wirklich mal gesagt. Aber heute messe ich dieser Aussage viel mehr Bedeutung bei als damals.
Und mehr als das: als ich die Einladung zum Ausstand bekommen hatte, habe ich auch ein wenig in den Erinnerungen an "alte Zeiten" geschwelgt. Dabei bin ich für mich zu folgendem Schluss gekommen: ich hatte nie einen Bruder, ich bin Einzelkind, aber mein "Chef" Ralph ist von allen Leuten, die mir bisher in meinem Leben begegnet sind, das, was meinem Empfinden nach einem großen Bruder am nächsten kommt... ohne mich an diesen Satz zu erinnern.
Dafür: Danke mein großer Bruder! Ich wünsche Dir auch für Deinen weiteren Weg alles Gute, von Herzen. Auch wenn ich weiß, dass Du es gar nicht brauchst, denn Du siehst nie ein Problem, sondern nur Wege aus ihnen heraus.
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