- Die Frau finde ich immer richtig süß... so lange, bis sie den Mund auf macht und zu reden anfängt.
- -- SvOlli
In der aktuellen Ausgabe des
Nachtwächters ist mir ein Artikel untergekommen, den ich hier auch noch mal kommentieren möchte. Der Autor, Bullo, hat mir gestattet, ihn hier mal komplett zu zitieren:
Neulich ist wieder etwas passiert ...
Stehe ich doch wieder einmal des Alkohol leicht trunken vor unserem Club, da kommt ein recht aufgetakeltes Gruftilienchen im zarten Schätzalter von 19 Jahren auf mich zugestolpert und beginnt auch sofort mich mit ihrer recht piepsigen Stimme voll zu blubbern.
„Sach mal, du gehst doch bestimmt auch schon in Richtung 50, ist dir das nicht peinlich immer noch in solch albernen Gruftiklamotten und mit solch einer vertrottelten Frisur umher zu rennen?“ war es aus ihrem Gesicht zu vernehmen.
Was ist denn das nun, schoss es mir durch das Steuerzentrum meines Körpers!
Steht hier gerade ein schwarzes Etwas und fragt mich warum ich wie ein schwarzes Etwas rumlaufe?
Da sie mir nach dieser glorreichen Bemerkung geistig überlegen schien, entschloss ich mich den Rückzug an die hinteren Versorgungslinien anzutreten. Nachdem ich mir einen Becher Whisky - Cola anrühren ließ, enterte ich mir einen Theken-Hochsitz, lehnte mich zurück und begann zu grübeln...
Wie kann es zu solche einer Ansage aus dem Bereich der Gothic-Grundschule kommen?
Was hat dieses Gör dazu veranlasst einen Vertreter ihrer Subkultur, selbst wenn er schon auf das Rentenalter zusteuert, so an den Sarg zu lullern?
Ist es die Verrohung unserer supertoleranten Szene?
Ist das die Ernte, die Kontaktlinsengrafschaften mit Dreiecksbartzipfeln in ihrem Musikantenstadel der düsteren Volksmusik sowie Fernsehsendungen wie „Mieten, Kaufen, Wohnen“, „GZSZ“, oder Szene verleumdend in Talkrunden von Radio-Bremen säen? Oder gar als Krönung eine eigene VW-Golf-Kollektion auf den konsumfeindlichen Gothic-Markt werfen?
Entwickeln Cyberklingklang-Bands, dessen Sounds klingen als wenn eine Ziege in eine Blechdose pinkelt, die gerade unter einem Schlaghammer gefaltet wird, ein Gefühl, dass die „Schwarze Szene“ eine reine Jugendbewegung wäre?
Liebe Junggruftelhubers, bitte bedenkt das unsere Subkultur nun schon mehr als 30 Jahre existiert und es daher nicht weiter verwunderlich ist, dass man das ein oder andere Überbleibsel der ersten Generation auch noch heute in den Clubs findet.
Das macht unsere kleine Gothgemeinschaft doch aus - versuchte Toleranz und gedachte Gemeinsamkeit. Bitte lasst uns heute auch noch so tun, damit wir „Alt-Dark-Waver“ nicht vollends verwirrt werden und zumindest noch etwas das Gefühl bekommen das der Protest in den 80ern ein klein bissel Sinn gehabt hätte!
Es ist schwer, sich in gehobenem Alter noch an bunte Klamotten zu gewöhnen :)
Euer Rentnergrufti Bullo mit vertrottelter Frisur
Quelle: Nachtwächter Ausgabe 12, November - Dezember 2011, Seite 20-21
Der Club von dem er spricht ist übrigens der
Ballsaal der Finsternis, in dem ich mich auch ganz gerne mal aufhalte. Ich will das, was ich vor Jahren in einem anderen Zusammenhang schon einmal
geschrieben hatte versuchen noch besser auf den Punkt zu bringen.
Meiner Meinung nach gibt es viele Parallelen zwischen einer Jugend- oder Subkultur und Religion. Beides versucht Menschen, und solche, die sich dafür halten, ein Gefühl von Zusammenhalt zu geben. Zu dem Gefühl der Zusammengehörigkeit, gehört es aber auch, dass es "Andere" gibt, die eben
nicht dazugehören. Am besten noch solche, die zwar gerne dazugehören würden, aber eben von der Gruppe nicht angenommen werden. Oder schlimmer noch, sich selbst verleugnen, um doch angenommen zu werden. Und wenn jemand konkret "dagegen" ist, dann ist er auf dem besten Wege, ein Feindbild zu werden. Üblicherweise lernt man dies nicht im Rahmen von Subkulturen, sondern eher von der Cliquenbildung im Teenager-Alter.
Bei einer Subkultur ist es das selbe, nur halt eine Nummer größer. Man könnte es auch so formulieren: die Akzeptanz des Einzelnen hängt nicht mehr vom Wohlwollen einiger wenigen ab, sondern mehr daran, wie man sich den vorherrschen Gepflogenheiten anpasst. Und genau deshalb fühlte ich mich immer unter den "Schwarzen" besonders wohl. Ich selbst habe dort folgende Grundeinstellung ausgemacht: ich respektiere Dich, auch wenn oder sogar weil ich Dich nicht kenne. Du bekommst von mir quasi einen Vorschuss an Respekt, und es liegt an Dir, was Du mit ihm machst. Es ist ganz Deine Wahl, Du kannst ihn verspielen, indem Du mich nicht für voll nimmst, oder Du kannst mich einfach wie einen Gleichwertigen behandeln, dann kommen wir gut miteinander aus. Ich habe bisher keine andere Subkultur kennengelernt, bei der die Maxime "behandele den Anderen respektvoll" so selbstverständlich ist.
So habe ich die "Goths" kennengelernt. Wie bei den Subkulturen im Allgemeinen ging es auch dort zu: aus einer größeren Bewegung wurden mehrere kleine. In den 60ern konnte man einen Großteil der Jugendlichen mit nur einer einzigen Musiksendung erreichen. Auch ich kann mich noch daran erinnern, dass "
Formel Eins" zum Pflichtprogramm meiner Jugend gehörte. Man beachte, dass die "Eins" als Wort geschrieben wurde: es geht also nicht um das ständige Autos-im-Kreis-bewegen, sondern um Musik. So etwas ist heute nicht mehr möglich. Selbst komplette Musiksender haben Probleme, sich am Markt zu halten.
Auf eine ähnliche Weise hat sie die Gothic-Subkultur zersplittert. Das Musikspektrum reicht mittlerweile von "Schweinegrunzen auf Gitarrengeschraddel" bis hin zu "Als ich so etwas das letzte Mal gehört hatte, war mir Counter-Strike abgestürzt". Die Musik, die mir gefällt, liegt irgendwo dazwischen. Diese Subkultur-Teile verbindet aber doch einiges. Zum Beispiel die Clubs oder Teile der Mode. Durch diese Zersplitterung finden nun aber auch Leute an Teilen der Bewegung gefallen, ohne auch nur ansatzweise einen größeren Teil davon erfassen zu können. Und hier setzt wieder die Urängste ein, die man erst besiegen muss. In diesem Fall ist es die Angst, die Ressourcen könnten nicht für alle reichen, und man beginnt auszugrenzen, um gefühlt mehr für sich zu haben. Dazu kommt dann auch noch die Angst vor etwas was man nicht kennt und nicht versteht.
Und genau hier hat "das Kind" nicht verstanden, worum es eigentlich geht. Es geht nicht um Musik, Kleidung oder Alter. Es geht um Respekt dem Anderen gegenüber, ihn so zu behandeln, wie man selbst gerne behandelt werden möchte. Und so hat sie nicht den Anderen ausgegrenzt, sondern sich selbst. Sie hat ihren Vorschuss an Respekt mit einem einzigen Satz - das Fragezeichen am Ende war wohl eher Rhetorik - verspielt. Ein solches Verhalten habe ich schon in Clubs wie der Buggy oder dem Fun erlebt, wo sie mit einer solchen Einstellung wohl auch besser hin passen würde. Ich formuliere es immer gerne so: "Die Idiotenquote ist in diesem Umfeld die geringste, die ich bisher ausmachen konnte. Leider ist sie aber nicht mehr ganz so niedrig, wie es zu meiner Anfangszeit war."
Ich selbst habe mich übrigens nie als ein Bestandteil dieser Subkultur empfunden, sondern nur als ein gern gesehener Gast. Bei vielen, die ich in dieser Umgebung kennengelernt habe, war das anders: sie sahen in mir durchaus einen der ihren. Weniger wegen der schwarzen Kleidung, sondern eher weil ich ihnen mit dem selben Respekt gegenüber getreten bin, den ich auch von anderen mir gegenüber erwarte.
Eine passende Antwort von Bullo wäre wohl gewesen: "Kindchen, kann ich mal Deinen Ausweis sehen? Mit dem, was Du hier so absonderst kannst Du noch keine 18 sein, und unter 18 dürftest Du hier eigentlich gar nicht rein."
Abschließend fällt mir nur ein: dank' Dir Bullo, dass Du noch immer so rumläufst. Würdest Du dies nicht tun, wärst Du sicher nicht das Wagnis mit dem Ballsaal der Finsternis eingegangen, und es gäbe einen Ort weniger, wo ich gerne hingehe.
Auf das, was mir bei den ganzen Religionen so auf den Sack geht, gehe ich dann ein anderes Mal ein.
Kommentare
http://menmedia.co.uk/prestwichadvertiser/news/s/1465396_tram-thugs-stamped-on-head-of-woman-22-at-bury-metrolink-stop-because-she-was-dressed-as-a-goth
Ihr vergesst dabei, das die Kids, immer der Meinung sind, sie wüssten alles. Ich sehe in solchen Statements immer Selbstdisqualifikation, die junge Frau kann sich garnicht vorstellen in "unserem hohem Alter" noch Goth oder Gruft oder whatever zu sein.