- "Warum bist Du so nett zu mir?"
"Weil Du mich lässt." - -- Allison & Claire, "Breakfast Club"
Endlich ist es geschafft. Einen ganz großen Dank von hier aus nach Italien. Endlich wird der flaggen- und wimpelschwingenden Euphorie Einhalt geboten. Endlich sieht man nicht mehr Leute die ihren Körper für das Vaterland hinhalten, sei es nun mit Aufklebern auf der Backe oder schwarz-rot-goldener Bekleidung. Moment, das muss ich revidieren, sonst gibt es eine Schelte von
Linny. Natürlich muss es heißen: die den Körper für das Fußballteam des Vaterlandes hinhalten.
Wobei mir dieses Flagge zeigen doch schon recht suspekt ist. Gerade die eigene Landesfahne an öffentlichen Geschäften, etc. wird auch gerne zu Kriegszeiten rausgehängt um Patriotismus zu zeigen. Ich weiß nicht, wie es den anderen Menschen auf dieser Erde geht, aber ich konnte mir mein Geburtsland nicht aussuchen, warum sollte ich also stolz darauf sein? Gut, wenn es mir nicht passt, kann ich ja auswandern, aber das ist nicht der Punkt.
Der Punkt ist: warum soll ich stolz auf etwas sein, für das ich so gar nichts getan habe? Ich bin stolz darauf, dass ich nach einundzwanzig Semestern doch noch mein Diplom in Informatik fertig bekommen habe, trotz all der Probleme, die gerade in der Endphase noch aufgetreten sind. Aber stolz auf etwas zu sein, wo ich nichts für und nichts gegen kann? Ich weiß nicht.
Aber es geht dabei nicht auch noch um etwas anders? Geht es nicht auch um dieses "Wir"-Gefühl? Das Gefühl, dazu zu gehören. Eigentlich ein schönes Gefühl. Doch basiert es nicht auf der Ausgrenzung anderer? Ist es nicht eher ein "Wir-und-nicht-die"-Gefühl? Im Falle des Fußballs sind es halt die Fans der anderen Mannschaften. (Hier sei noch kurz angemerkt, das "Fan" von "fanatisch" kommt, auch das sollte einem zu denken geben.)
Und wo es noch alles dieses "Wir-und-nicht-ihr"-Gefühl gibt: zum Beispiel im Musikbereich ("AC/DC oder Kiss", "a-ha oder Duran Duran"), bei den Autofahrern ("VW oder Opel") oder auch bei den Computerinteressierten ("Windows oder Linux", "vi oder emacs"). Diese Liste der Glaubenskriege kann man fast beliebig weiter führen. Das ist doch alles nur Cliquenbildung im größeren Stil. Und von Stil zeugt das nicht gerade.
Darum bin ich auch kein Freund der Religionen, weil viele von ihnen auf Ausgrenzung bis hin zur Verfolgung und Abschlachtung von Andersgläubigen basieren. Egal ob Juden, Christen oder Moslems, sie alle haben mal gepredigt: "und willst Du nicht meines Glaubens sein, dann schlag' ich Dir den Schädel ein". Und alleine das ist schon für mich Grund genug eben solche Götter oder Götzen
nicht anzubeten.
Kommentare
1) Ob die Landesflagge vor dem Kontext Fußball Stolz auf das Land ausdrückt, weiß ich nicht. Meines Erachtens hat es sich etabliert, die Landesfahne als Zeichen für die Mannschaft zu wählen, der das Herz des Trägers gehört. Eigentlich müßten die ganzen deutschen Fans die Flagge (bzw. eine Flagge mit dem Zeichen) des DFB raushängen... doch sind die Landesflaggen international bekannt, so werden eben diese gewählt.
2) In punkto Landesstolz halte ich es, wie Herbie (Grönemeyer) es einmal formuliert hat: Ich mag die Menschen, aber nicht den Staat. Ich erkenne in der deutschen Mentalität Eigenheiten meiner selbst wieder und fühle mich deswegen als Deutscher. Stolz auf diesen verqueren Staat als politisches Gebilde bin ich eher weniger, aber vielleicht kann ich in meinem Falle meinem Gefühl als Deutscher in punkto Gemeinsamkeiten mit anderen Deutschen durch die Flagge Ausdruck verleihen.
3) Einer meiner Lehrer am Gymnasium meinte einmal, daß man auch nicht auf seine Kinder stolz sein könne, weil die sich selbst entwickeln und man nichts dazu getan hat.
1)-3) --> Ich denke, Stolz ist ein ziemlich komplexes Thema, dem man sich von mehreren Seiten nähern kann.
4) Fan kommt von fanatisch, doch hat sich das Wort allgemein etwas verselbständigt. Ich bin auch Fan von Grönemeyer oder einem guten Film. Einem Glas Wein oder Lagerfeuer am Abend am Strand. Daran ist ja nichts verkehrtes....
zu 1) Mit den Zeichen ist das so eine Sache. Ich zum Beispiel mag DAF. Die haben zu ihrer Hochzeit 1981-1982 sich auch gerne mal mit Nazi-Symbolik geschmückt, hauptsächlich um stumpf zu provozieren. Dieses kokettieren mit Symbolen finde ich persönlich eine ganz schlimme Sache. Und obwohl sie mittlerweile "davon runter" sind, mache ich es ihnen immer noch zum Vorwurf. Und der Rapper Fler kommt über 20 Jahre später auf die gleiche Idee...
zu 2) Bist Du Dir sicher, dass Du wirklich die Deutschen magst, und nicht nur Dein Umfeld? Also ich finde es peinlich mit Leuten in einen Topf geworfen zu werden, die die "Bild" zu dem auflagenstärksten täglichen erscheinenden Druckerzeugnis in Europa machen. Und wenn ich mich mal in ein Straßencafe setze und mir die Leute, die so vorbeigehen so betrachte, sehe ich mich mit mindestens drei viertel nicht auf einer Linie. Und von dem Bruchteil der Deutschen, die mein persönliches Umfeld sind, darauf zu schießen, dass ich "die Deutschen" mag, halt ich für etwas naiv.
zu 3) Da kann ich Deinem Lehrer nur bedingt Recht geben. Man kann seien Kindern durchaus etwas mit auf den Weg geben, zum Beispiel Denkanstöße. Und wenn die fruchten darf man auch ruhig ein bisschen stolz sein. Aber in der Hinsicht mit dem Stolz sein auf eine Person, ist zwischen "mein Sohn hat den Nobelpreis bekommen" und "wir sind Papst, Weltmeister oder wasauchimmer" kein wirklich großer Unterschied. Die Leistung haben andere erbraucht, da gibt es also nicht wirklich was zum Stolz sein.
zu 1)-3) Da hast Du Recht, ganz klar. Trotzdem ist mir jeder Stolz, der nicht mit persönlich errechtem zu tun hat, erst einmal suspekt, weil er eben meist Ausgrenzung anderer beinhaltet.
zu 4) Ich vermeide ganz bewusst den Begriff "Fan", wenn mir etwas gefällt. Zum Einen weil "Fan" halt von "fanatisch" kommt, zum Anderen, weil es etliche Bands gibt, deren Musik ich mag. Aber trotzdem sammele ich nicht jeden kleinsten Artikel den ich finden kann, oder kampiere nachts vor irgendwelchen Hotels. Und in Ohnmacht fallen tue ich auch nicht, nur weil mir irgendeine berühmter Person über den Weg läuft. Für mich ist im Moment das abschreckenste Beispiel das des "Apple-Fans". Hauptsache ein geiles Design, und das Apfel-Logo klebt drauf. Da stört dann auch nicht die teilweise echt miese technische Umsetzung. Aber egal, sie geben auch gerne etwas mehr Geld aus um elitär zu wirken. Und sich von anderen abzuheben. Ist aber "sich von anderen abheben" nicht auch nur eine nettere Formulierung für "um andere auszugrenzen"?
Aber: ich schreibe ja auch hier nicht weil ich einfach von allen hören möchte, dass sie die gleiche Meinung haben. Dennoch fordert ein Gefühl von Zusammengehörigkeit in vielen Fällen die Ausgrenzung anderer. Mich da von etwas anderem zu überzeugen wird wirklich schwer...
2) Da gebe ich Dir an sich Recht.
3) Im Endeffekt ist dieser Stolz vermutlich etwas anders gelagert, als bei Dingen, bei denen man etwas geleistet hat. Dieser Stolz im Besonderen ist wohl eher als eine Art Zugehörigkeitsgefühl mit anderen Menschen zu sehen. Gleichzeitig verbunden natürlich mit einer Sache, auf die sich das Gefühl zentriert, und das man mit anderen Menschen teilt. Womit wir wieder beim Fan wären... ;) Im Großen und Ganzen sehe ich hier eher ein Wortproblem... die beiden Sorten von Stolz sind so unterschiedlich, daß dieses Wort im zweiten Fall einfach unglücklich gebraucht wird.
4) Wie gesagt, automatisch grenzt man andere durch Fan-tum imho nicht aus. Wenn ich sage, ich bin Fan von Norwegen, grenze ich dann Nicht-Norweger aus? Oder Leute, die Norwegen nicht kennen? Oder Leute, die Norwegen kennen, aber nicht mögen? Vielleicht kenne ich aber Leute letzterer Art und diskutiere mit ihnen, was sie an Norwegen nicht mögen, um dann gegebenenfalls meine Meinung zu ändern oder ihre umzustimmen. Ich kann nicht sehen, wo hier eine Ausgrenzung passiert.
Denn als Fanatiker, der eine andere Meinung gar nicht in Betracht zieht und anderen seinen Willen mit aller Macht aufzwingen will, (und das tut ja ein Fanatiker) sehe ich mich echt nicht. ;)
Da zeigen die Deutschen mal einen fröhlichen, weltoffenen Fußball-Patriotismus (http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,425541,00.html), der das ganze Land lächeln läßt und die sonst eher missmutige Stimmung wegwischt - und ich kann nicht dabei sein.
Daran ist nun wirklich nichts Schlimmes. Aber eine Einstellung wie Deine findet man ja durchaus öfter in unserer Heimat. Um genau zu sein findet man sie NUR in unserem Land, bedingt durch unsere Vergangenheit. In jedem anderen Land der Welt würde man Dich nur mit verständnislosem Kopfschütteln bedenken.
Aber das Thema ist glaube ich eh zu komplex, als das man sich darüber in einem Blog auslassen könnte. Außerdem bin ich zu faul, mir die Finger blutig zu tippen. Wir besprechen das mal bei einem netten Glas Wein oder Bier, wenn ich wieder in Deutschland bin.
Bis dahin bin ich jedenfalls der Meinung, daß ein Wir-Gefühl nicht zwingend was mit einer Negativhaltung gegenüber anderen zu tun haben muß und auch nicht mit einem Glaubenskrieg. Deutschland ist dieser Tage der beste Beweis dafür.
Schüttel einfach mal diesen anerzogenen Nachkriegs - "Wir Deutsche dürfen kein Wir-Gefühl zeigen und auch auf nichts stolz sein, weil ein blöder Österreicher unsere Vergangenheit versaut hat" - Gedanken ab und geh mal auf die Strasse. Da laufen sicher viele Menschen rum, die Fähnchen am Auto oder Haus haben und wirklich ganz nett sind. Echt jetzt.
Richtig widerlich finde ich allerdings die Scheuklappen der Berufsmahner. Wenn eine Weltmeisterschaft in Deutschland stattfindet und die 'Deutschen' ihre Mannschaft anfeuern, dann steht Adolf II schon am Horizont. Findet aber in einem anderen Land ein 'Reichstagsbrand' mit daraus folgenden Notstandsgesetzen statt, so ist ein Hinweis darauf mit dem Ende der eigenen Karriere gleichzusetzen. Welche Nation, wenn nicht Deutschland, weiss denn aus eigener Erfahrung, wie es zum Nationalsozialismus gekommen ist? Wer, wenn nicht wir, sollte daraufhin vergleichbare Entwicklungen im Ausland sofort blossstellen und vor den Konsequenzen warnen?
Nein, wir nicht. Wir muessen das Buesserhemd anziehen und uns im Keller geisseln fuer die Taten unserer (mittlerweile) Urgrossvaeter. Dann sorgen wir lieber dafuer, dass genuegend Waffen in den nehen Osten und andere Krisengebiete geschickt werden.
Und zur Beruhigung: Die meisten der Autofahnen liegt dank mangelhafter Qualitaet schon in den Strassengraeben und der Alltag kann wieder einziehen. Vielleicht beruhigt sich die Lage dann auch wieder, wenn wir alle in das stumpfe Grau und die deutsche Tugend der Langweiligkeit zurueckfallen. Solche Leute sind auch viel einfacher zu regieren, als Menschen die auch mal auf fuer etwas anderes, als zur Arbeit zu gehen, auf die Strasse gehen.