Wen es um missliebige Aussagen von Politikern geht, werfen ihnen ihre Kollegen gerne Populismus vor. Doch was ist das eigentlich? Frage ich mein altes Lexikon Der Buechergilde (1956) so finde ich dort:
Population1.[...] 2.[...] und
Poren (griech.) [...] Huppala, das Wort klingt so alt, scheint es aber gar nicht zu sein. Dann schauen wir doch mal in einem neueren Werk nach. Das Grosse Handlexikon In Farbe (1979) kennt immerhin
Populationsoekologie und
Poquelin, leider auch keinen Populismus. Ismen waren mir schon immer unheimlich, irgendwo muss der Begriff doch zu finden sein. Mein Fremdwoerterbuch aus dem Duden Verlag hat leider auch nur eine Luecke zwischen
Population und
Porno, irgendwo dort muss sich die Bedeutung wohl auch verstecken. Wikipedia schliesslich bewahrt mich davor, meiner Rechtschreibschwaeche Schuld zu geben:
Populismus (v. lat.:
populus = Volk) ist eine Bezeichnung für eine opportunistische (populistische) Politik, die sich vor allem nach dem Willen der Masse richtet. Der Begriff unterstellt die Ersetzung konkreter Lösungsvorschläge durch Schlagworte, die Emotionen in der Bevölkerung aufgreifen.
Der Duden spricht von einer opportunistischen Politik, welche "die Gunst der Massen zu gewinnen sucht". Im Sprachgebrauch der europäischen Massenmedien schwingt oft der Vorwurf mangelnder Verantwortung und Nachhaltigkeit mit, der seinerseits von Politikern insbesondere in Wahlkämpfen geäußert wird. Kleinere Parteien sind von diesen Vorwürfen häufiger betroffen als Volksparteien, und Rechtsparteien etwas häufiger als Linksparteien.[...]
Nun gut, die Erklaerung ist so weit erschoepfend genug und deckt sich mit dem, was man sich ohnehin selber schon zusammengereimt hat. Auf der anderen Seite leuchtet mir die Verwendung nicht so ganz ein. Der Autor setzt implizit Populismus mit Opportunismus gleich, was mich fragen laesst, warum man denn dann die Populisten nicht gleich als Opportunisten bezeichnet? Vielleicht ist das ein Fall von Neusprech. Wenn ich mich mit meinem Asterix-geschulten Haushaltslatein an den Begriff wage, so draengt sich die Naehe zu
Populaer geradezu auf. Irgendwo habe ich auch schon mal von Vox Populi, der Stimme Des Volkes gelesen. Hat also was mit dem Volk oder Beliebtheit zu tun. Wieso sollte das schlecht sein?
Vielleicht haengt das damit zusammen, dass ich seit einiger Zeit das Gefuehl habe, von meiner Regierung wie ein quengeliger Teenager behandelt zu werden. Durch die Blume scheinen sie uns gerne mitzuteilen, dass wir geistig gar nicht in der Lage sind, die Tragweite ihrer Entscheidungen zu verstehen und deshalb bitte still zu sein haben waehrend Erwachsene sich unterhalten. Daraus folgt: das Volk ist zu dumm!
Bestes Beispiel ist die letzte Bundestagswahl. 30%25 rot, 30%25 schwarz, was habe ich gelacht, mein erreichbares Traumergebnis. Klar ersichtlich, die Mehrheit der Buerger (Nicht- und Ungueltig Waehler nicht mal mit einberechnet!) hat entschieden, dass sie keinen von beiden an der Regierung sehen will. Doch was haben die grossen Volksparteien fuer einen Schluss gezogen? Der Waehler ist
zu Dumm sich zu entscheiden. Dummheit muss bestraft werden, deshalb werden wir jetzt auch von den Wahlverlierern regiert, vielen Dank auch.
Doch zurueck zum Thema Populismus. Dieses Etikett wird gerne auch Vertretern aus der rechten Ecke angeheftet. Wie nett, waeren Begriffe wie 'menschenverachtend' oder 'rassistisch' nicht viel passender? Im Prinzip schon, aber leider hat die NPD ihre Hausaufgaben gemacht und lauscht erst mal am Stammtisch, was dem Buerger, einfach- denn so am Herzen liegt, bevor sie die eigenen Seiteneffekte veroeffentlichen. Und damit machen sie Politik. Uebrigens, gemerkt? Wieder die Poli- Wurzel, demnach muss Politik auch irgendwas mit Volk zu tun haben. Ich moechte zum Thema Rechte Politik Die Zeit zitieren:
[...] Dort [Im Stadtrat und Kreistag einer Mecklenburg-Vorpommerschen Gemeinde] gelingt es ihm [dem NPD-Mitglied A.] immer wieder, die demokratischen Parteien vorzufuehren. Ende August etwa stritt der Stadtrat wieder einmal darueber, ob der alte DDR-Buergermeister eine Ehrennadel verliehen bekommen solle oder nicht - A. aber stellte einen Dringlichkeitsantrag gegen die Schliessung der letzten Postfiliale der Stadt, was die Buerger sehr viel mehr interesiert. [...]
Das ist also boeser Populismus? Natuerlich war es einfach mit diesem Thema die Aufmerksamkeit und potentielle Waehler zu erreichen. Aber warum hat sich dann kein anderes Mitglied des Stadtrates darum gekuemmert und lieber ueber eine fragwuerdige Auszeichnug des alten Buergermeisters diskutiert? Daraus sehe ich nur, dass selbst im Kleinen unsere Parteienlandschaft zur Beschaeftigungstherapie mit sich selber verkommen ist.
Da moegen Soziologen und Volkswirtschaftler vor einer Spaltung der Bevoelkerung in Arm und Reich warnen, die Spaltung in (Berufs-)Politiker und Buerger ist schon lange vollzogen. Die beiden Ebenen haben zumindest auf Seiten der 'Volks'parteien jegliche Beziehung zueinander verloren. Wenn ich mich meinem Broetchengeber gegenueber so verhalten wuerde, wie unsere Regierung dem Steuerzahler, koennte ich mich an dieser Stelle als direkt Betroffener ueber Hartz-IV auslassen. Uebrigens ein Regierungsprogramm, dass den Namen eines wegen Korruption angeklagten Wirtschaftvertreters traegt. Hurra Deutschland!
Kommentare
Opportunismus trifft deswegen den Populismus auch nicht so wirklich: ein opportunistischer Politiker bewegt seinen vertretenen Menschenkreis wie sich Mehrheiten ergeben (Schröder ist ein schönes Beispiel dafür), während er aber dennoch im Gegensatz zum Populisten eine Meinung bezieht, die ihn für den Moment klar in ein Lager einschließt. Ein Populist tut das eben nicht.
Und, genau das ist auch, was Du am Ende so schön als "Narrung" der Volksparteien bezeichnest: dadurch, dass sich der Republikaner (? gah, ich les nicht noch mal ;-)) nicht an der anstehenden Entscheidung beteiligt, die die Leute sicherlich auch innerhalb der Gemeinde spaltet, kann er im Gegensatz zu den Fraktionen wie ein "Heilsbringer" erscheinen, der die eigentlich wichtige Politik macht, auch wenn ich mir hier nicht anmaßen würde zu sagen, dass die Fraktionen Ihre Bürger nicht vertreten (wie Du das implizierst); Du kennst die Gemeinde nicht. Auf jeden Fall macht er sich durch diese Abweichung von der aktuellen Diskussion zum Populisten, und punktet bei der Gemeinde als ganzer (schränkt sein Lager nicht ein), indem er einfach ein Thema aufgreift, was nicht ansteht in der aktuellen Debatte.
Sonst, so ganz d'accord kann ich mit dem Rest Deines Kommentars auch nicht gehen. Sicherlich hast Du recht, dass sich Politiker heute sehr distanziert zu Ihrer Basis verhalten, im Gegenzug ist das Problem aber vom "Populus" auch teilweise selbstherbeigeführt. Durch die Politikverdrossenheit der 90-er Jahre haben viele Kinder nicht "mitbekommen," was Politik für Sie tut, und interessieren sich noch heute nicht für das, was ansteht. Sie suchen den Kontakt zur Politik nicht, deswegen wird der Kontakt von der Politik auch nicht mehr gesucht, da er nicht verlangt wird, und Politiker fallen reihenweise der Hybris zum Opfer, die Du "uns für dumm halten" nennst.
Und, ohne, dass Du das in den falschen Hals kriegen solltest: Du passt in genau diese Schublade. Wenn Dir etwas stinkt, mach was dagegen. Wenn Du meinst, dass die Politiker Dich für dumm halten, sprech Sie drauf an, und lass Dir erklären, was sie wollen. Die allermeißten, solche die wirklich noch auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden können (sprich: Dich vertreten wollen), werden das gerne machen. Dass Du mit Ihnen inhaltlich nicht umbedingt übereinstimmst bedeutet ja trotzdem noch nicht, dass Ihre Argumente "inkohärent" sein müssen.
Uebrigens habe ich nicht behauptet, dass er die Volksparteien 'genarrt' hat, das war ein Zitat in dem zudem auch noch das Wort 'vorfuehren' benutzt wurde, mit dem ich uebrigens, ebenso wie Du, meine Probleme habe. Auf der anderen Seite stimmt es natuerlich, dass er ein Thema aufgreift, welches nicht zur Debatte steht, aber warum steht es nicht zur Debatte, obwohl es fuer das Gemeinwohl doch wesentlich interessanter ist, als eine Ehrennadel? Sollte man vielleicht die Prioritaeten noch mal ueberdenken?
Danke fuer das Kompliment uebrigens, doch ich bin kein Kind der 90er, sondern der Pillenknick der 70er ;) Ich bin eher mit den Protesten gegen die Startbahn West als mit der Loveparade aufgewachsen. Ich glaube Du tust der Jugend unrecht, wenn Du sie als unpolitisch bezeichnest. Sie haben kein Problem mit der Politik an und fuer sich, sondern mit der Art, wie sie gemacht wird. Das Wirtschaftswunder, in dem die Politik fast alles tun konnte was sie wollte und es dem Buerger immer noch gut ging, ist nun mal vorbei. Nun schaut eine junge Generation nach oben und sieht Leute wie Herrn Staeuber oder Frau Merkel, mit denen sie sich so gar nicht identifizieren koennen, die aber behaupten, sie haetten die Loesung. Witzigerweise hat immer nur die Opposition 'Die Loesung', die sie aber leider nicht realisieren kann, weil sie nicht an der Regierung ist. Nein, sagen wie die Loesung aussieht kann man auch nicht, sonst stiehlt die Regierung ja ihre tollen Ideen! Worauf wollte ich hinaus, ach ja, ich glaube es gibt da ein boeses Generationenproblem. Ich habe schon Schwierigkeiten aktuelle Jugendbewegungen nachzuvollziehen, wie mag es da erst jemandem gehen, der mich schon nicht verstehen kann?
Und damit kommen wir zum letzten Punkt, in dem Du brav den Koeder aufgenommen hast, den ich ausgelegt habe ;) Ich habe es tatsaechlich schon mal versucht, die Situation 'von Innen' zu aendern und bin aktives Parteimitglied bei einer der Volksparteien geworden. War eine hochinteressante Erfahrung, denn in unserer kleinen Ortsgruppe war richtig Bewegung, Initiative und Motivation vorhanden. Diese Motivation reicht aber nicht aus. Eines Tages kam ein Landratsabegeordneter vorbei um Stimmen aus der Basis einzufangen. Leider hat er das wohl falsch verstanden, er hat da naemlich eine Wahlkampfveranstaltung draus gemacht und versucht seine Parteimitglieder vom Parteiprogramm zu ueberzeugen und auf unsere Fragen mit Allgemeinplaetzen geantwortet.
Eine Freundin hat indes fuer eine andere Partei kandidiert und ist in den Stadtrat gewaehlt worden. Frischer Wind in muffigen Zimmern sollte man meinen, doch das erste was sie lernen musste war, dass sie dort als Stimmvieh geduldet wurde, nach dem Motto: "Wenn der Onkel da vorne die Hand hebt, hebst Du auch die Hand, ansonsten haelst Du die Klappe!" Da hat sie sich nicht dran gehalten und wurde prompt aus Partei und Rat gemobbt. Diese Erfahrungen, zusammen mit Aufstieg und Fall der Gruenen, haben mich sehr desillusioniert. Ich glaube nicht, dass das System von Innen geaendert werden kann, also versuche ich es von Aussen. Ich versuche Menschen zum Nachdenken zu bringen, sie von Ihrer Lethargie zu befreien. So lange die meisten Leute noch meinen, dass man ja nur vier Parteien waehlen kann (weil ansonsten SOFORT Adolf wiederaufersteht!), wird sich gar nichts aendern. Da kann ich noch so viele Buergerparteien gruenden, die waehlen sich naemlich nur selber, waehrend der Rest wie gebannt auf die Volksparteien starrt.
Und ein Populist ist für mich jemand, der die Meinung des Volkes aufgreift und diese zur Durchsetzung seiner Ziele ge- und oft sogar mißbraucht. Meinungen lassen sich ja oft sehr frei interpretieren, gerade wenn sie von jemandem aufgegriffen werden ohne direkt geäußert worden zu sein.
Last but not least ist es ja sowieso traurig, wie heutzutage Meinungen zustande kommen: Über die Massenmedien. D.h. eigentlich ist im Endeffekt ein Populist niemand, der die Meinungen des Volkes aufgreift und nutzt, sondern die von den Massenmedien induzierten Meinungen, ergo die Meinung der Massenmedien.