- In Papierkörben tummeln sich die Vorsätze der Vergangenheit.
- -- Erhard H. Bellermann, Gedankenreich
Der Jahreswechsel ist für viele ja ein Grund, neue gute Vorsätze zu fassen. Das ist irgendwie nicht mein Ding. Mal abgesehen davon, dass ich sowieso nicht gut im Halten von solchen Vorsätzen bin, so bringt es definitiv nichts diese zu einem Bestimmten Zeitpunkt zu machen. Damit so etwas Erfolg verspricht, sollte er aus einer Situation heraus entstehen.
Bei mir passiert es so alle paar Jahre mal, dass ich den Jahreswechsel dazu nutze um über meine Beziehung zu anderen Menschen zu überdenken. So fand zum Beispiel die Erkenntnis, dass mir meine Freundschaft mehr Wert ist als
79,20 Euro zu einem Jahreswechsel statt, und ich beschloss da diese "Freundschaft" fristlos zu kündigen.
Dieses Jahr ist der Fall nicht ganz so konkret. Ich habe beschlossen den Maßstab, mit dem ich bewerte, wie andere Leute mich behandeln, zu ändern. Klingt merkwürdig, ist aber so. Beziehungsweise klingt es sehr formalisiert, deshalb hier mal ein paar Beispiele. Was sich geändert hat ist folgendes: ich will nicht mehr berücksichtigen, wie andere mit mir umgehen gemeint ist, sondern nur noch, wie es auf einen Dritten wirkt.
Ein Beispiel: wenn in einer Runde ein Spaßvogel meint, auf Kosten anderer witzig zu sein, und zwar so, dass das was er sagt eigentlich beleidigend ist, wird das von nun an nur noch als eine Beleidigung aufgefasst. Der früher geltende Bonus "das sollte ein Witz sein", wird gestrichen.
Ein anderes Beispiel: wenn jemand ein ihm anvertrautes Geheimnis weitergibt, es mir in Zukunft egal, wie gut es gemeint war. Vertrauensbruch bleibt Vertrauensbruch. Wenn dieses Wissen auch für eine dritte Person bestimmt war, dann hätte ich es bestimmt dazu gesagt.
Sicherlich wird die Intention nie ganz unbeachtet sein, sie wird aber nie als Entschuldigung herhalten können, sondern ist nur noch etwas für die "B-Note".
Das mag jetzt etwas hart und herzlos klingen, ist aber meine Erkenntnis, die ich für mich gewonnen habe. Und der Preis dafür war, emotional gesehen, nicht billig, sondern eher die Umsetzung von Sprichworten wie: "Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht" oder "Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert". Womit sich der Kreis schließt: ich mache keine guten Vorsätze für das neue Jahr.
Kommentare
Ich kann mir nicht helfen, ich finde, es hört sich ganz schön traurig an, ausgerechnet zu Jahreswechsel so einen Entschluss zu fassen. Was hat Dich dazu bewegt? Ich mein, war es der Gedanke ´Offensichtlich bin ich zu nett!´? Oder mehr der Gedanke ´Hier wird mit zweierlei Maß gemessen ...`? Gerade letzteres geht mir ziemlich häufig auf den Sender, dass ich meistens anderen verzeihe, mir aber im umgekehrten Fall nicht der gleiche Bonus angerechnet wird.
Von mir an dieser Stelle dennoch einen guten Rutsch und ein frohes Neues nachträglich. Etelka
Es ist definitiv nicht der Fall von "offensichtlich bin ich zu nett". Schließlich ist eins meiner Idole Charlie Brown, und der ist immer nett, egal, wie übel ihm das Leben mitspielt.
Das erste Beispiel mit dem Spaßvogel war konkret erlebt. Und das war auch der Auslöser für den gesamten Gedankengang. Arschloch bleibt halt Arschloch, auch wenn er dann den Satz "war doch nur Spaß" nachschiebt.
Es ist halt einfach so, dass sich Leute, die sich nach einem Fauxpas mit mir wieder gut stellen wollen einfach mehr strecken müssen als vorher.